Richtig gesehen hat ihn niemand, beinahe unerkannt ist der graue Isegrim in den letzten Oktobertagen durch den Landkreis Freising gelaufen. Allein dadurch, dass er bei Moosburg Damwild riss, wurde der Mensch auf ihn aufmerksam.
Für den Landkreis Freising ist der Nachweis eine kleine Sensation im Spektrum der hier vorkommenden Tierarten. Nach intensiver Verfolgung und Ausrottung der Wölfe in Deutschland betritt nach womöglich über 200 Jahren erstmals wieder ein freilebender Wolf die Region.
Der Wolf wissenschaftlich auch Canis lupus bezeichnet ist das größte in Europa heimische Raubtier aus der Familie der hundeartigen (Canidae). Auf den offiziellen Seiten des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) sind viele Details zur Biologie dieser Tierart dargestellt. So können erwachsene Tiere bis zu 90 cm groß werden und eine Länge von 140 cm erreichen. Sie sind damit sogar größer als Schäferhunde. Dabei erreichen sie ein Gewicht zwischen 30 und 50 kg und werden in freier Wildbahn bis zu 13 Jahre alt. Auffällig ist das gelbbraune bis graue Fell und das dunkle Gesicht mit weißen Wangen und eine schwarze Schwanzspitze. Mit seinen langen und schlanken Beinen ist der Wolf der geborene Dauerläufer.
Um erfolgreich Nachwuchs groß zu ziehen, leben Wölfe in einer sozialen Gemeinschaft, dem sogenannten Rudel. Neben den Elterntieren und den vier bis sechs Jungtieren, die im Frühsommer geboren werden sind häufig noch die Jungen des Vorjahres Teil des Rudels, die bei der Beaufsichtigung der Jungtiere und bei der Jagd mithelfen. Dabei kommt ihnen ihr ausgesprochen feiner Geruchssinn zugute und eine ausgeklügelte Verständigung, das charakteristische Wolfsgeheul. Im zweiten Lebensjahr müssen die dann ausgewachsenen Jungtiere das Rudel verlassen und sich auf die Suche nach einem eigenen Revier begeben.
Speichelreste haben ihn verraten
Vermutlich ist genau dies der Grund für den kürzlich gelungenen Nachweis eines Wolfes im Landkreis Freising bei Moosburg. Das Tier musste wahrscheinlich im Sommer sein Rudel verlassen und ist jetzt auf der Suche nach einem eigenen Revier. An der gerissenen Beute (Damwild) konnten mit Hilfe moderner Methoden der Biochemie genetische Spuren aus Speichelresten eindeutig einem Wolf zugeordnet werden. Möglicherweise gelingt es dem Labor noch weitere Erkenntnisse zu gewinnen über das Geschlecht und die Herkunft (Abstammung aus bekanntem Rudel). Damit würden sich weitere wertvolle Hinweise zu dem Tier und dem zurückgelegten Wanderweg ergeben.
Für alle passionierten Naturbeobachter, alle Halter von Weidetieren und Jagdrevierinhaber im Landkreis Freising stellt sich nun die spannende Frage was der „Freisinger Wolf“ nun als nächstes vorhat. Zum Bedauern aller, die gerne ein solches Tier gerne in freier Wildbahn beobachten würden und zur Erleichterung vermutlich aller Weidetierhalter ist anzunehmen, dass das Tier mit großer Wahrscheinlichkeit schon weitergewandert ist. Dabei kann das lauffreudige Tier in wenigen Wochen erhebliche Strecken zurückgelegt haben. Trotzdem wird jetzt bei allen auffälligen Kadavern (Risse) in der Region genauer hingeschaut um keine Hinweise auf den umherwandernden Wolf zu übersehen und berechtigte Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Auch die Umsetzung und Verbesserung von speziellen Herdenschutzmaßnahen ist jetzt in den betroffenen Gemeinden möglich. Entsprechende Hinweise sind auf der Homepage des Landratsamtes hinterlegt.
Eine Genanalyse belegt nun, dass es sich um ein Männchen handelt, das wohl nicht aus heimischen Wolfsrudeln stammt. Sein Profil passt zu keiner der derzeit in Deutschland nachgewiesenen Verpaarungen.
Der Wolf kommt wieder
Eine dauerhafte Rückkehr des Wolfes in die heimische Natur im Landkreis Freising dürfte momentan als eher unwahrscheinlich einzustufen sein. Zwar hat das BfN erst 2020 mit Hilfe einer Habitatanalyse für ganz Deutschland festgestellt, dass theoretisch Platz wäre für 700 bis 1400 Wolfsrudel. In den letzten 30 Jahren (Stand 2020) haben sich laut BfN und der Wolfsberatungsstelle (DBBW) immerhin etwas mehr als 100 Rudel und ca. 30 Wolfspaare vor allem in Nord- und Nordostdeutschland mit eigenen Revieren etablieren können. Aber auch in Nordbayern und im Bayerischen Wald gibt es mittlerweile vier Wolfsterritorien. Betrachtet man die Ergebnisse dieser Habitatanalyse genauer, so zeigt sich allerdings, dass der Landkreis Freising nur eine sehr geringe Eignung für eine dauerhafte Besiedelung durch Wölfe aufweist. Der relativ waldarme Landkreis ist in weiten Teilen dicht besiedelt und stark durch große Verkehrsachsen gegliedert. So gesehen dürfte unsere Region eher eine Raststation für den durchwandernden Wolf gewesen sein auf seiner Suche nach einem geeigneten Wolfsrevier. Aufgrund der sich aber aktiv ausbreitenden Wolfspopulation in Deutschland ist es aber ziemlich sicher, dass es noch nicht der letzte Wolf war, der den Landkreis durchstreifte.