Der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) hat in Gammelsdorf eine weitere Vereinbarung zum Schutz von Amphibien in Rohstoff-Abbaustätten geschlossen. Die Bentonit-Grube „Roßberg“ der Clariant Produkte Deutschland GmbH ist nun Teil des bayernweiten Vorhabens „Natur auf Zeit“.
„Ziel des Pilotprojekts ist es, bedrohte Amphibienarten während des Abbaus von Rohstoffen zu schützen und zu erhalten. Gleichzeitig wollen wir gewährleisten, dass der Betrieb auch dann weiterlaufen kann, wenn gefährdete Arten vorkommen. Das bringt Vorteile für alle“, so der LBV-Landesfachbeauftragte Naturschutz Dr. Andreas von Lindeiner. Abbaustätten gehören zu den wichtigsten Ersatzlebensräumen vieler Amphibienarten. Sie ersetzen Lebensräume wie Wildflussauen, die heute weitgehend verschwunden sind.
Mit der Auftaktveranstaltung trat der Kooperationsvertrag zum Schutz von Amphibien in Rohstoffgewinnungsstätten der Firma Clariant Produkte (Deutschland) GmbH im Landkreis Freising in Kraft. Nach der Vertragsunterzeichnung im Umlaufverfahren trafen sich Vertreterinnen und Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Freising, der Industrie und des LBV am Bentonit-Abbaustandort „Roßberg“ in Gammelsdorf und feierten gemeinsam den Beginn der Zusammenarbeit zum Zwecke des Artenschutzes. Auf den Flächen wurden auf Initiative des Unternehmens bereits vor Abbaubeginn Amphibienhabitate geschaffen, die künftig während des laufenden Betriebs gepflegt und weiterentwickelt werden sollen.
“Die Idee, hier Umzugsquartiere für die kleinen Tieren zu schaffen, ist fantastisch”, sagte Landrat Helmut Petz, der ebenfalls an der Veranstaltung teilnahm. “Miteinander können wir höhere Ziele erreichen und trotzdem die Interessen der Natur und der Wirtschaft in Einklang bringen. Danke für dieses Engagement.”
„Mit der engen und vertraglich geregelten Zusammenarbeit können wir gemeinsam Schutz- und Entwicklungsmöglichkeiten für die Amphibien dort schaffen. Rohstoffgewinnung und Naturschutz müssen heute keine Gegensätze mehr sein“, sagt Dr. Andreas von Lindeiner.
Dem schloss sich Armin Ziegenaus von der Clariant-Gruppe an: „Quakende Unken, bunte Käfer, seltene Vögel und Bienen: Das ist nicht unbedingt das, woran viele beim Wort ‘Tagebau’ denken. Doch all das gibt es in Bayerns einzigartigen Bentonitgruben. Und nicht erst nach der aufwendigen Renaturierung. Schon während des Abbaus blüht vielerorts das Leben.“
Nachdem in den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen bereits vorher Verträge im Rahmen des Projektes abgeschlossen wurden, schließt sich mit Freising nun ein weiterer Landkreis in Oberbayern dem Schutzprojekt an.
Tobias Meyer von der unteren Naturschutzbehörde Freising begrüßt den neuen Vertragsabschluss: „Durch den Verlust der ursprünglichen Habitate sind Abbaustellen inzwischen bei uns für viele gefährdete Arten der wichtigste Lebensraum geworden. Dieses Programm ermöglicht es, die Interessen des Rohstoffabbaus und des Naturschutzes zusammen zu bringen, sodass am Ende alle gewinnen. Es freut uns, dass mit Clariant nun zu ersten Mal ein Unternehmen in unserem Landkreis dabei ist und wir hoffen, dass dies der Beginn weiterer Kooperationen ist.“
Auch Dr. Stephanie Gillhuber vom Bayerischen Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden e.V. (BIV) betont die Wichtigkeit der Lebensräume in den Abbauflächen: „Dieses Projekt ist so einzigartig wie authentisch. Denn schon durch die natürlichen Gegebenheiten in Gruben und Steinbrüchen schafft die Rohstoffbranche Überlebensräume für bedrohte Arten, die in unserer Kulturlandschaft kaum mehr zu finden sind. Dank dem Herzblut und Engagement unserer Betriebe und der Expertise des LBV haben wir ein Novum in der Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Industrie geschaffen.“
Über das Projekt „Natur auf Zeit“
Seit 2016 führt der LBV zusammen mit dem BIV (Bayerischer Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden) und der ABBM (Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbau- und Mineralgewinnungsbetriebe e. V.) das Pilotprojekt durch. Ziel ist die Sicherung und Optimierung von Lebensräumen für europaweit bedrohte Amphibienarten in aktiven Gewinnungsbetrieben.
Über die gesamte Laufzeit bis Ende 2025 wird das Projekt vom bayerischen Naturschutzfonds gefördert. Den Anlass für das gemeinsame Vorhaben gab ein Bericht der Bundesregierung über das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000 von 2013. Dieser zeigt für sieben besonders bedrohte Amphibienarten mit europaweiter Bedeutung einen ungünstigen Erhaltungszustand und überwiegend einen negativen Gesamttrend der Vorkommen auf.
Der LBV und die Rohstoffgewinnungsunternehmen sind sich des besonderen Potenzials von Rohstoffgewinnungsstätten bewusst. Gemeinsam wollen sie deshalb durch gegenseitige Information und enge Zusammenarbeit die Chancen für den Erhalt der biologischen Vielfalt nutzen. Die Entstehung wertvoller Ersatzlebensräume und die Ansiedlung seltener Arten, wie beispielsweise Gelbbauchunke, Geburtshelferkröte, Kammmolch oder Knoblauchkröte, sollten nicht dem Zufall überlassen werden, sondern während der Gewinnungsphase, bei der Renaturierung und auch darüber hinaus gezielt gesteuert werden. So sollen bayernweit in Rohstoffgewinnungsstätten aller Rohstofftypen beispielhafte Maßnahmen zur Umsetzung durchgeführt werden.
Mehr Infos zum Projekt Natur auf Zeit: www.natur-auf-zeit.de.